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Heartbleeding Rose

Der Prolog in 24 Teilen

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Noch bevor ich meine Augen öffnete, spürte ich die dröhnenden Kopfschmerzen. Gefolgt von einem Zittern,
das sich durch sämtliche Glieder zog
und mir eine Gänsehaut bescherte.
Wieso ist es so kalt?

Im Versuch, mich zu orientieren, hielt ich inne.
Die Matratze unter mir war gewohnt weich, meine Decke jedoch verschwunden. Wie viel hatte ich gestern bloß getrunken, dass ich mich nicht einmal an den Heimweg erinnern konnte?
Irgendetwas stimmte hier nicht.

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Mit Schrecken stellte ich fest, dass die zarte Lavendelnote fehlte, die seit Kurzem mein Schlafzimmer erfüllte. Meine Mutter hatte mir vor ein paar Tagen ein Säckchen mit getrockneten Blüten mitgebracht, weil dies eine beruhigende und schlaffördernde Wirkung haben sollte. Abermals sog ich die Luft ein, um die vertraute Nuance doch noch zu finden. Nichts.

Das Einzige, das ich einatmete, war erdrückende Feuchtigkeit.
Wie kann das sein?
Ein weiteres Bibbern schüttelte meinen Körper. Mit einer Hand tastete ich nach der Decke, doch mein Arm bewegte sich nur wenige Millimeter. Entschlossenheit und Angst stritten sich um die Vorherrschaft. Einerseits wollte ich wissen, was das zu bedeuten hatte, andererseits war ich mir dessen längst bewusst.

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Während ich meine Augen aufriss, versuchte ich mich gleichzeitig aufzurichten. Doch die Kraft, die ich in diese Bewegung steckte, schleuderte mich sofort zurück auf die Matratze. Der Schmerz zuckte wie ein greller Blitz durch meinen Kopf und ich atmete mit zusammengepressten Lidern dagegen an.
Jetzt bloß nicht durchdrehen, beruhigte ich mich im Stillen.

Doch die Panik ließ sich davon nicht aufhalten, tobte wie ein Sturm durch meine Adern und sensibilisierte all meine Sinne. Mein Puls rauschte in den Ohren und der tiefe Atemzug, nach dem ich wie eine Ertrinkende schnappte, erreichte nicht annähernd meine Lungen.

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Bestandsaufnahme.
Ein Wackeln meiner Zehen schickte einen neuen Schmerz durch die Füße, der an tausend kleine Nadelstiche erinnerte. Tränen sammelten sich hinter meinen Lidern.
Wie lange liege ich hier schon?

Meine Zähne schlugen aufeinander und das Zittern, das durch meinen Körper vibrierte, verstärkte sich stetig. Durch Anspannen der Muskeln suchte ich mit geschlossenen Augen nach dem Widerstand, der mich zuvor zurückgeworfen hatte, und spürte dabei drei Stellen, an denen sich breite Gurte gegen meinen Torso drückten – und eine Gewissheit unumgänglich machten: Ich war definitiv nicht zuhause.
Wo bin ich dann?

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Erneut öffnete ich die Augen, um mich in dem unbeleuchteten Raum umzusehen. Die wenigen Schatten, die sich abzeichneten, gaben mir keinerlei Anhaltspunkte über meinen Aufenthaltsort. Das Konstrukt, auf dem ich lag, schien das Einzige zu sein, das hier stand.
Das kann nichts Gutes bedeuten.
Ich musste herausfinden, wo, wie und vor allem warum ich hier gelandet war. 

​​Entschlossen zog ich das Kinn Richtung Brust und wurde nur mit einem stechenden Schmerz im Nacken belohnt,
der mir die Sicht raubte.
Resigniert senkte ich den Kopf zurück auf das Kissen.
Was ist das Letzte, an das ich mich erinnern kann?

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Das Pochen in meinen Ohren nahm einen Beat an, der mir vage bekannt vorkam. Gerade als ich die Erinnerung greifen wollte, erschreckte mich das Quietschen einer Tür.
Der Lichtkegel, der direkt auf mein Gesicht fiel, stach in meinen Augen, hämmerte unerbittlich gegen meinen Schädel, bis eine Gestalt mich davon abschirmte.

Allerdings erkannte ich selbst nach mehrmaligem Blinzeln nicht mehr als einen Schatten, der sich von dieser unerträglichen Helligkeit abhob und den Türrahmen dabei fast vollständig einnahm.
Mit schweren Schritten näherte er sich mir und die Konturen wurden allmählich klarer. In meinem Bauch startete ein Flattern, wohingegen mein Kopf noch grübelte. Er kam mir bekannt vor.

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Diese Augen. Ich hatte sie schon einmal gesehen. Verunsichert folgte ich seinen Bewegungen. Als er direkt neben mir stand, legte sich ein Lächeln auf sein Gesicht. Die weißen Zähne hoben sich aus der Dunkelheit ab und wirkten dabei so perfekt und glänzend, wie ich es nur aus gephotoshopter Werbung kannte.

Erinnerungsfetzen kämpften sich zurück in mein Bewusstsein.
Der Club. Der Nebel. Dieser Typ.
Das ist er!
Das Kribbeln wurde stärker. Vom ersten Augenblick an hatte er eine ungeheure Anziehung auf mich ausgeübt, gegen die ich mich nicht hatte wehren können.

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Erneut startete die Szenerie vor meinen Augen:
 
Wir standen nebeneinander an der Bar. Seine Worte und flüchtigen Berührungen hatten genügt, um meinen Herzschlag in die Höhe zu treiben, und so zögerte ich nicht lange, als er vorschlug, den Club gemeinsam zu verlassen.

Um die Vorfreude zu steigern, schickte er mich tanzen, weshalb ich die restliche Zeit mit wackligen Beinen auf der Tanzfläche verbrachte, in Nebel und Musik gehüllt und dem Wissen, dass er jede meiner Bewegungen genauestens verfolgte. Die Vorstellung, dass er mir seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkte, berauschte mich mehr als jede Droge. Cut.

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Auf einmal war er verschwunden. Sämtliche Orte, die Menschenmenge, sogar die Toilettengänge habe ich nach ihm abgesucht, um dann der bitteren Wahrheit ins Gesicht zu blicken. Die Enttäuschung setzte sich in meiner Kehle fest, wie ein verschlucktes Kaugummi, bis ich sie hinunterwürgte und mich mit der Realität abfand.

Er hatte nur mit mir gespielt und ich etwas Besseres verdient. Genervt von der lauten, fröhlichen Musik holte ich meine Jacke an der Garderobe und flüchtete aus dem Club. Die Tränen, die hinter meinen Lidern brannten, hielt mein Stolz fest. Ich hatte noch nie wegen eines Typens geweint und würde jetzt nicht damit anfangen.

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Eine Straße weiter streifte ein Atemzug meinen Nacken und sämtliche Härchen stellten sich auf. Meine Beine froren auf der Stelle ein. Diesen Geruch kannte ich.
»Da bist du ja. Ich dachte schon, du hättest unsere Abmachung vergessen.« Seine Hände legten sich auf meine Hüften, drehten mich um und … seine Lippen pressten sich verheißungsvoll auf meine, dann wurde alles schwarz.

»Wie ich sehe, gewinnst du langsam dein Gedächtnis zurück.« Seine dunkle Stimme vibrierte in dem fast leeren Raum.
In der Hoffnung, zu verstehen, was hier vor sich ging, sah ich zu ihm auf. Einer Bondage-Session hatte ich hundertprozentig nicht zugestimmt. Also was …

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»Ich freue mich, dass du hier bist, auch wenn du das vermutlich nicht so sehr genießen wirst wie ich.« Sein Gesicht näherte sich meinem und seine Augen funkelten dabei so bedrohlich, dass sich mein Puls beschleunigte und ich verzweifelt an den Fesseln zerrte.
Ich muss hier weg! Sofort!

»Entspann dich. Du kannst sowieso nichts mehr dagegen tun.« Kaum waren die Worte ausgesprochen, presste er seinen Mund auf meinen, zu einem eiskalten Kuss. Abwehrend kniff ich die Lippen zusammen und erreichte damit nur, dass die trockene Haut einriss.

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Sofort leckte er mit der Zunge über die blutende Stelle und stöhnte. Dieses Geräusch ließ meinen Atem stocken und schickte einen solch intensiven Schauder durch meinen Körper, wie ich es noch nie erlebt hatte.
»Du schmeckst besser, als ich es mir vorgestellt habe.«

Er küsste sich meinen Hals entlang, saugte eine Spur bis zu meinem Schlüsselbein. Doch bevor sich der Ekel in mir ausbreiten konnte, brannte ein unfassbarer Schmerz in meiner Brust und ich glaubte, innerlich zu zerreißen.
Dann wurde zum zweiten Mal alles schwarz.


PROLOG ENDE

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Hintergrund und Cover: inspirited books Grafikdesign / www.inspiritedbooks.at

Kapitelzierden-Design: Florin Sayer-Gabor / www.100covers4you.com

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